Wissensmanager im Unternehmen: Interdisziplinärer Werdegang bevorzugt
Die Funktion des Wissensmanagers ist erst im Aufbau. In vielen Firmen existiert sie nur dank umtriebigen Mitarbeitenden, die Wissensmanagement als professionelles Hobby betreiben. Meist kommen sie aus den Bereichen IT, Kommunikation, Personal- und Organisationsentwicklung oder betriebliche Weiterbildung.
Sie heissen Chief Knowledge Officer, Chief Learning Officer, Knowledge Networking Officer, Knowledge Broker oder einfach Wissensmanager. Und genauso vielfältig wie die Bezeichnung ist auch das Berufsbild dieser Personen, die im Unternehmen für das Wissensmanagement zuständig sind. Einen einheitlichen und strukturierten Werdegang, sagt Pavel Kraus, Präsident des Swiss Knowledge Management Forum (SKMF), gibt es bis heute nicht. «Es existiert zwar eine Fülle von Nachdiplomkursen oder Seminaren, und Vorlesungen zum Wissensmanagement sind auch in die unterschiedlichsten Lehrgänge integriert, doch ein eigentliches Grundstudium gibt es nicht.»
Die Initiative geht meist von interessierten Mitarbeitenden aus
Kraus selbst ist schon seit 13 Jahren im Wissensmanagement tätig. Seine Basis dazu bildete ein interdisziplinäres Geografiestudium. «Ich studierte physikalische und soziale Geografie sowie Wahrnehmungsgeografie.» Danach arbeitete Kraus bei Roche Diagnostics im Marketing, und zwar im Bereich internationale Marktbefragungen. Während dieser Aufgabe betrieb er Wissensmanagement als eine Art «professionelles Hobby», wie er sagt: «Beim Sammeln der Umfragedaten merkte ich, dass die Informationen, die wir sammelten, in der Firma viel breiter und besser publik gemacht werden müssten.» Eines Tages schrieb er dem CEO ein Paper und schlug darin auch vor, dass die Stelle eines Knowledge Networking Officer geschaffen werden sollte. «Mein Werdegang ist wohl sympthomatisch», konstatiert Pavel Kraus. «Es gibt zwar Grossfirmen, die bereits strukturierte Wissensmanagement-Abteilungen aufgebaut haben, bei den meisten Firmen geschieht dies jedoch durch die Initiative von interessierten Mitarbeitenden.»
So war es auch bei der Swiss Re, die zu den ersten Schweizer Firmen zählte, die eine strukturierte Wissensmanagement-Abteilung aufbauten. «Knowledge Management im engsten Sinn tauchte bei uns 1996 zum ersten Mal auf», sagt Bruno Hermann zurückblickend. Er ist Head Knowledge Management Consulting bei der Swiss Re und war damals als Leiter der technischen Ausbildung eine der internen Personen, die die Initiative ergriffen und zusammen mit einem externen Beratungsunternehmen eine Wissensmanagement-Strategie für die gesamte Gruppe entwickelten. «Aufgrund der immer stärker werdenden Dezentralisierung unserer Organisation leuchtete es der Geschäftsleitung ein, dass Knowledge Management zu einem Topthema werden musste.»
Hermanns Background im Bereich Ausbildung und Organisationsentwicklung passte perfekt mit den Vorstellungen überein, die das damalige Swiss-Re-Kader von Wissensmanagement hatte. «Für uns ist dieses eng mit Innovation und Ausbildung verknüpft und der IT-Aspekt und die Datenbanken sind lediglich eine praktische Nebensache.» Wissensmanagement heisst für den Rückversicherer daher vor allem, Mitarbeitende oder Kunden miteinander zu vernetzen. Dies immer mit dem Ziel, daraus neue Innovationen generieren zu können. Inzwischen ist die Knowledge- Management-Abteilung der Swiss Re auf weltweit 80 Mitarbeitende angewachsen und umfasst den gesamten Wissenszyklus vom Sammeln neuer Erkenntnisse und Ideen bis hin zur Archivierung. «Die Leute kommen aus den verschiedensten Bereichen und die meisten von ihnen haben bereits unterschiedliche berufliche Stationen durchlaufen», betont Hermann.
Kompetenz und Berufserfahrung
Dies, so scheint es, passt auch perfekt ins wissenschaftliche Bild eines Wissensmanagers. Gemäss verschiedenern Untersuchungen sind für dieses Berufsbild vor allem folgende Qualifikationen wichtig: ein Gesamtverständnis für Betriebswirtschaft und Organisation sowie für Personal. Hinzu kommen grundlegende Kenntnisse über Psychologie oder Pädagogik sowie ein gewisses IT-Know-how (siehe Grafik). Ein äusserst heterogenes Profil also. Und eines, das sich erst nach einigen Jahren Berufserfahrung herausbilden kann. Welche Personen mit dem Wissensmanagement betraut werden, hängt stark davon ab, wie das Thema in den Unternehmen umgesetzt wird. Je nach Schwerpunkten, die eine Firma setzen möchte, wird dann auch der Hintergrund der Verantwortlichen gewählt.
Einer, der mit einem rein technischen Hintergrund ins Wissensmanagement reinrutschte, ist Ralph Jonischkeit, Partner und Gründer des Beraternetzwerks Forward Solutions. Der studierte Informatiker arbeitete fünf Jahre bei der Systor in der Systementwicklung. «Vor allem bei grossen Projekten wurde mir bewusst, dass diese an verschiedenen Punkten nicht mit den Realitäten übereinstimmten.» Dies vor allem, so Jonischkeit, weil relevante Informationen nicht weitergegeben und abgeholt wurden. «Also begann ich, diese zu sammeln und an potenzielle Empfänger im Unternehmen, bei unseren Partnern und Kunden weiterzugeben.» Irgendwann hat Jonischkeit dann herausgefunden, dass diese durch ihn geprägte Rolle im Wissensmanagement als Profil eines Knowledge Broker definiert war. Obwohl Wissensmanagement bei seinem damaligen Arbeitgeber stark IT-lastig betrachtet wurde, war für Jonischkeit immer klar: «Die Menschen machen den Unterschied und die IT ist nur zur Unterstützung da.» (Siehe Kommentar S. 59.)
Dieser hybride Ansatz war und ist auch für Beat Knechtli eine der Motivatoren für seine Tätigkeit als Chief Knowledge Officer bei PwC Schweiz. «Wissensmanagement ist extrem faszinierend, weil es sich mit Fragestellungen der Gestaltung von geistiger Zusammenarbeit und Innovation befasst.» Vor einigen Jahren habe es zwar einen Trend hin zur IT und zur Automatisierung gegeben, davon seien aber die meisten Unternehmen zum Glück wieder abgekommen. «Der Fokus liegt heute auf dem Menschen und nicht auf der Technik.» Mittlerweile arbeitet Knechtli bereits acht Jahre im Knowledge Management. Zuerst bei der Roche, danach bei der ABB und heute bei PwC. Dies nach einem Wirtschafts- und Innovationsmanagementstudium und verschiedenen Aus- und Weiterbildungen im IT-, HR-, Personal- und Organisationsentwicklungsbereich. «Ich suchte eine Möglichkeit, um all meine Fähigkeiten in einer Aufgabe zu nutzen», so Knechtli. «Wissensmanagement war die logische Konsequenz daraus.»
Die Anforderungen an moderne Wissensmanager
Wissenmanager …
- sind Promotoren und Facilitators, die die Wissensmanagement-Prozesse definieren und vorantreiben,
- schaffen günstige Rahmenbedingungen für den Wissensaustausch,
- besitzen verschiedene soziale Kompetenzen,
- behalten den gesamten Kontext im Auge,
- sind menschenorientiert,
- arbeiten eng mit der Geschäftsleitung zusammen,
- kennen ihr Unternehmen sehr gut.
Websites für Wissensmanager: www.skmf.net, www.know.unige.ch
Viele Wissensmanager sehen ihre Tätigkeit als Berufung
Aus all diesen Lebensläufen wird klar, warum es keine einheitlichen Studiengänge für dieses Berufsbild gibt. So ist das Institut für Kommunikationsforschung der Universität Luzern im Moment schweizweit die einzige Institution, an der mit dem MBA eLearning und Wissensmanagement ein Master im Bereich Wissensmanagement absolviert werden kann. Die Teilnehmer des Lehrgangs stammen gemäss Co-Studienleiter Dieter Treichel aus allen Ecken und Ebenen von Unternehmen. «Festgestellt haben wir aber, dass die Teilnahme von Leuten mit einem rein technischen Hintergrund deutlich abgenommen hat.» Immer mehr Teilnehmer kämen aus dem HR, der Personalentwicklung sowie den Bereichen Weiterbildung und Training. Ein sehr heterogenes Teilnehmerfeld haben auch die unterschiedlichen Kurse an der Fachhochschule Nordwestschweiz (siehe Kasten).
Viele Fähigkeiten, die moderne Wissensvernetzer brauchen, lassen sich auf der Schulbank aber kaum erlernen: vernetztes Denken, über den eigenen Tellerrand hinausschauen oder eine starke Menschenorientierung. All dies entspricht entweder der Veranlagung einer Person oder kann nur «on the job» gelernt werden. Wen wunderts also, dass viele Wissensmanager ihre Tätigkeit als Berufung sehen. Müssen sie auch, denn in den meisten Unternehmen besteht noch enormer Aufklärungsbedarf. «Viele Firmen sind sich zwar der Bedeutung von Wissen bewusst, managen diese aber noch viel zu wenig», so SKMF-Präsident Pavel Kraus.
Schweizer Lehrgänge in Wissensmanagement
Fachhochschule Nordwestschweiz
- Das Certificate of Advanced Studies Wissensmanagement läuft zurzeit in Brugg als Vertiefung im MAS Prozessmanagement; es wird ab nächstem Jahr vom Institut für Wirtschaftsinformatik als eigenständiges Angebot in Olten verfügbar.
- Seminar «Der richtige Einsatz von IT im Wissensmanagement», zweitägiger Kurs, nächste Durchführung am 26./27. Mai 2008
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Der Bachelor-Studiengang Wirtschaftsinformatik hat drei Module mit Bezug zu Wissensmanagement:
- Informations- und Wissensmanagement und eLearning
- Information Retrieval and Knowledge Organization
- Advanced Knowledge Technologies
- Im Master-Studiengang Wirtschaftsinformatik, der im September zum ersten Mal startet, wird es die Module Knowledge Management und Knowledge Engineering geben. In diesem Studiengang sind wissensintensive Prozesse ein Schwerpunktthema, sodass es auch in anderen Modulen Querbezüge zu Wissensmanagement geben wird.
Weitere Informationen: www.fhnw.ch
Universität Luzern
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MBA eLearning & Knowledge Management am Institut für Kommunikationsforschung (ikf) der Universität Luzern. Der Masterstudiengang besteht aus zwei bzw.drei Modulen:
- Nachdiplomkurs eLearning
- Nachdiplomkurs Knowledge Management
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Nachdiplomkurs Content Management und Instructional Design
Weitere Informationen: www.ikf.ch
Fernfachhochschule Schweiz
• Im Rahmen des Master of Science in Business Administration existiert ein umfangreicheres Angebot an Knowledge-Management-Kursen
Weitere Informationen: www.fernfachhochschule.ch
Darüber hinaus existieren schweizweit eine ganze Reihe spezifischer Programme, die teils umfangreiche Knowledge-Management-Module beinhalten, so beispielsweise im Bereich Health Care an der ZHAW, im Bereich Tourismus an der FH Chur oder am IWI der HSG.